Zum „Jahr der Barmherzigkeit“

Papst Franziskus hat ein „Jahr der Barmherzigkeit“ ausgerufen. Das Thema kehrt ständig wieder in seiner Botschaft und in seinen Predigten. Dabei geht es nicht um die Vergebung Gottes, wenn wir gesündigt haben. Man kann sagen: Barmherzigkeit ist die Zusammenfassung der ganzen biblischen Botschaft.

Eine ergreifende Geschichte ist das bekannte Gleichnis vom barmherzigen Vater und dem verlorenen Sohn. Der Vater hat ein Herz für den Sohn, er versteht ihn und lässt ihn nicht fallen. Er gibt ihm den Erbteil, er sorgt sich um ihn, er wartet auf ihn, er nimmt ihn auf und feiert ein Fest bei der Rückkehr. Er versteht auch den älteren Sohn und mahnt ihn zur Großherzigkeit. Das ist die Botschaft: Gott umfängt uns mit seiner Liebe von Anfang bis zum Ende.

Die barmherzige Liebe ist langmütig. Auch wo der Mensch immer und immer wieder versagt, lässt Gott ihn nicht fallen – immer vorausgesetzt, dass der Mensch sich seiner Sündhaftigkeit bewusst ist. Papst Franziskus wird nicht müde, darauf hinzuweisen: Wir alle sind Sünder, das heißt mit Schwachheit und Unvollkommenheit behaftet. Das zu leugnen ist die „Sünde wider den Heiligen Geist“ - und das ist nach dem Wort Jesu die Einzige, die nicht vergeben wird.

Und nun heißt es im Evangelium: „Seid barmherzig, wie es euer Vater ist!“ (Lk 6,36). Auch hier gilt: Es geht nicht um ein einmaligen Verzeihen. Vielmehr ist angesagt, einander anzunehmen in großherziger Liebe. In der christlichen Tradition hat das einen konkreten Ausdruck gefunden in den sieben „leiblichen und geistlichen Werken der Barmherzigkeit.“ Es ist gleichsam eine „Checkliste“, die uns deutlich macht, in welch vielfältigen Formen die Barmherzigkeit in unserem Alltag zu realisieren ist.  Im neuen „Gotteslob“ sind sie formuliert (Nr. 29/3):

-  Die leiblichen Werke sind: Hungernde speisen, Durstigen zu trinken geben, Nackte bekleiden, Fremde beherbergen, Kranke besuchen, sich um Gefangene sorgen und Tote in Würde verabschieden.

-  Die geistlichen Werke sind: Unwissende lehren, Zweiflern raten, Trauernde trösten, Sünder zurechtweisen, jenen, die Leid zufügen, verzeihen, Lästige ertragen und für alle zu beten.

Der frühere Bischof von Erfurt Dr. Joachim Wanke hat versucht, „sieben moderne Werke der Barmherzigkeit“ zu formieren. Auch sie können uns Anregung sein, die Barmherzigkeit zu „buchstabieren“:

– Du gehörst dazu – ich höre dir zu – ich rede gut über dich – ich gehe ein Stück mit dir - ich teile mit dir -  ich besuche dich – ich bete für dich.

Angesichts der kleinen großen Welt, in der wir leben, wird niemand bestreiten, wie aktuell die Botschaft der Barmherzigkeit und damit die Feier des Heiligen Jahres ist.

Pfarrer i. R. Msgr. Franz Scheffold