Gastgeber/-in sein

Ich schreibe gerade ein Buch. Der Titel lautet: „Gastgeber in Gottes Namen“. Darin werden fünf thematische Vorschläge für Bibeltreffen über jeweils eine Woche gemacht. Jedes Treffen dauert 30-45 Minuten. Das Reizvolle: Wir nennen das in unserer Seelsorgeeinheit: Gastgebermodell. Jeden Abend lädt jemand anders an seinen/ihren Lieblingsort ein und moderiert das Treffen. Es kommen 20-35 Personen. Das hätten wir nie gedacht. Wir machen tolle Erfahrungen und erleben eine tragende, Mut machende Gemeinschaft. Viele Kolpinggeschwister sind Gastgeber/-innen. Das stärkt auch uns. Für Euch in Laupheim heute eine Kostprobe aus dem Buch. Im Februar gibt es das Buch im Buchhandel.

Zu jedem Bibeltext gibt es Gesprächsimpulse. Zur Vorbereitung für den Gastgeber habe ich jeweils Einführungen zum Bibeltext geschrieben.

Im Nachgang tiefer sehen – zu Markus 5,21–43 Talita kum

Als Notfallseelsorgerin bin ich oft in der Situation, mit der Polizei Todesnachrichten zu überbringen oder zu einem Todesfall gerufen zu werden. Die meisten Einsätze kann ich gut verdauen. Doch eine Situation kommt mir immer wieder in Erinnerung. Ich wurde zu einer jungen Familie gerufen. Das Kind war unerwartet plötzlich zu Hause geboren worden und bei der Geburt gestorben. Die Eltern hat das in Mark und Bein getroffen, Sprachlosigkeit, Schreie der Verzweiflung und das Gefühl, das eigene Leben sei jetzt auch vorbei. Auch mir als Notfallseelsorgerin ging das an die Nieren. In solchen Situationen wünschte ich mir ein „Talita kum“ – Ich sage dir, steh auf! Ich wünsche mir das Eingreifen Gottes, damit solches Leid ein Ende findet und Glück und Freude eintreten können. So einfach geht es leider nicht, und so bleiben nur die Hoffnung und das Vertrauen, dass die Eltern den Weg ins Leben zurückfinden, dass sie in ihrer Trauer gut begleitet sind, damit aus der Ungerechtigkeit dieses Todes etwas wachsen kann, das dann doch dem Leben dient.

Eine Frau hat mich gebeten, sie zu begleiten. Sie sagt, dass sie gerne sterben möchte, nachdem ihre Krankheit ihr nun schon so lange Schmerzen und viele Einschränkungen bereitet. Sie hat das Gefühl, dass es um sie herum auch immer einsamer wird. Ihre Freundinnen möchten sich nicht mit ihrer speziellen Lebenssituation belasten – nicht über den sonst üblichen Umgang miteinander hinaus. Sie ist enttäuscht. „Ich muss noch einiges klären und besprechen, was ich erlebt habe“, hat sie mir gesagt. „Meine Beziehung zu Gott hat sich sehr verändert. Mein Glaube ist nicht mehr so fest, meine ich.“ Ich bin dankbar für ihr Vertrauen, denn solche Offenheit braucht Mut. Ich bin überzeugt, sie wird einen guten – ihren – Weg gehen, der sie ins Heil und Geheilte führt.

Wie lange kann ein Mensch eine Situation, die für ihn lebensbedrohlich ist oder sie/ihn sehr einschränkt, aushalten? Meine Erfahrung ist: sehr lange. Es wird immer darum gehen, welche Haltung jemand dazu entwickeln kann und welche Deutung möglich ist, um die Situation im Gesamtkontext des Lebens zu betrachten.

Dr. Claudia Hofrichter

Geistliche Leiterin im Diözesanverband Rottenburg-Stuttgart