Wie geht beten? Wie betet man „richtig“? Bringt Beten etwas? - Gibt es Gebetshilfen?

betenLiebe Kolpingsfamilie Laupheim,
Eine für mich sehr eindrückliche Geschichte nach Papst Johannes Paul I. kann Antwort auf diese Fragen geben.
In einer Familie feiert der Vater Geburtstag. Die Mutter und die Kinder haben ein kleines Fest vorbereitet. Zuerst kommt der Jüngste an die Reihe. Er hat ein kleines Gedicht auswendig gelernt, das er vor dem Vater aufsagt. Dann tritt der ältere Sohn auf. Er hat eine kleine Ansprache vorbereitet, die er sich ganz allein ausgedacht hat. Danach ist die älteste Tochter dran. Sie hat nur einen Strauß roter Rosen mitgebracht. Vor Aufregung wird sie ganz rot, als sie dem Vater den Blumenstrauß überreicht, und bringt gerade noch heraus, fast flüsternd: „Alles Liebe und Gute, Papa!“ - Und drückt ihm einen dicken Kuss auf die Wange.
Schließlich kommt die Mutter, seine Frau seit vielen Jahren. Sie hat kein Geschenk für ihn. Sie schaut ihren Mann nur an, und er schaut sie an, einfach nur ein Blick! Dieser Blick ruft die ganze Vergangenheit, ein ganzes Leben ins Gedächtnis: das Gute, das Schwere, die Freude, das Leid der Familie. Das ist alles.
Diese Geschichte zeigt verschiedene Möglichkeiten zu beten:
Eine Gebetsart ist das vorformulierte Gebet und entspricht dem auswendig gelernten Gedicht des Jüngsten.
Eine zweite Gebetsart ist das freie Gebet - in unserer Geschichte: die kleine Festrede.
Eine weitere Gebetsart ist - gemäß dem Blumenstrauß - das Gebet des Herzens.
Da braucht es nicht viele Worte. Es genügt das Herz sprechen zu lassen.
Und schließlich das Gebet der Einfachheit. Ich stelle mich vor den Herrn und öffne mich für seinen liebenden Blick. Er schaut mich an und ich schaue ihn an.
Gebet braucht Übung, will gepflegt sein, braucht einen festen Platz im alltäglichen Leben; nicht nur am Sonntag, nicht nur in Not, nicht nur für die Erfüllung meiner Wünsche. Gebet muss nicht fromm sein, nur ehrlich.
Eine gute Übung könnte sein, sich einmal zu zwingen, eine halbe Stunde laut mit Gott zu reden. Dabei könnte ich mit der Frage beginnen: Gott, was hältst Du eigentlich von mir? Was sagst Du zu mir, zu dem was ich tue? Eine andere Möglichkeit ist, ein Gebet langsam zu beten, einzelne Worte oder Sätze zu wiederholen und sie mit meinen Gedanken, mit meinem Erleben, mit meinen Gefühlen zu füllen.
Eine Legende erzählt, dass Bruder Leo dem Hl. Franziskus vorschlug, eine Zeit lang gemeinsam in Stille das „Vater unser“ betend zu gehen und nach jedem Gebet ein Steinchen in die Kapuze zu legen. Nach einiger Zeit zählte Bruder Leo viele Steine in seiner Kapuze und war enttäuscht, kein Steinchen bei Franziskus zu finden. Dieser öffnete seine Hand, wo ein einzelner Stein schon ganz warm geworden war, und sagte: Immer, wenn ich das Wort „Vater“ betete, bin ich nicht mehr weitergekommen. Ich musste an die Güte und Barmherzigkeit des Vaters denken und eine unendliche Freude erfüllte mich, so dass ich immerzu nur „Vater“ sagen konnte.
Gebet ist Beziehung - mit Gott, mit mir, mit Anderen.
Im Gebet bin ich mit Ihnen verbunden.

Ihre Schwester Veronika Mätzler