Reformation - Anschlagen oder doch Anklopfen?

Thesentür der Schlosskirche Wittenberg - Quelle: A. Savin, Wikimedia CommonsAm 31.10.1517 soll der Professor der Theologie und Augustinermönch Martin Luther 95 Thesen an die Tür der Wittenberger Stiftskirche angeschlagen haben. Es ist zwar sehr umstritten, ob Martin Luther wirklich die 95 Thesen an die Tür genagelt hat. Nicht umstritten ist jedoch, dass Martin Luther die 95 Thesen verfasst hat und somit mit seinem „Anschlag“ eine große Welle losgelöst hat.

Nach diesem Ereignis hat sich die Kirche gespalten.

Meiner Meinung nach war diese Spaltung im Nachhinein von Vorteil. Mit der Spaltung begann auch eine Diskussion. Luthers Thesen stellten die Hierarchien in Frage, in deren Anschluss die ersten sozialen Bewegungen in Europa entstanden sind. Unter anderem entstanden durch die Reformationsgedanken die Bundschuhbewegung der Bauern, die sich auch in Oberschwaben zusammenschlossen.

Beide Kirchen haben begonnen sich zu fragen, wie ein Leben zwischen Gott und den Menschen aussehen kann. Luther hat gefragt, wofür die Kirche in der Welt ist. Seine Antwort: „Wichtiger sind gute Werke der Nächstenliebe wie Unterstützung für Arme oder Hilfsbedürftige.“

Gute 300 Jahre später hat Adolph Kolping die Idee Luthers wiederholt: „Das Christentum ist nicht bloß für die Kirche und die Betkammern, sondern für das ganze Leben.“ Kolping hat seine „Thesen“ nicht an Kirchentüren genagelt, aber er hat sie auch nicht versteckt. Er hat Missstände in den Städten benannt und eine soziale Bewegung mit angestoßen, aus der die Gesellenvereine hervorgingen. Diese errichteten oft Häuser, deren Türen für die Gesellen offen standen. Kolping hat nicht nur die Missstände benannt, sondern ist von Tür zu Tür gegangen und hat dort für sein Anliegen angeklopft. Er hat Spenden für die Gesellenhäuser gesammelt.

Sowohl Luther als auch Kolping haben zu Ihrer Zeit Missstände gesehen und darauf reagiert. Beide haben auf Türen eingeschlagen, der eine laut, der andere leiser. Beide Male gingen dabei Türen auf.

Und jetzt? Gute 200 Jahre nach Kolping und genau 500 Jahre nach Luther?

An welche Türen wollen wir anklopfen?

Sind es die Türen vom Bundestag, dessen Vertreter wir im September wählen? Oder doch die Türen der Kirchen? Worauf wollen wir aufmerksam machen? Welche Missstände wollen wir dabei benennen?

Treu Kolping
Peter Lendrates - Geistlicher Leiter der Kolpingjugend