"Ich mag Gänseblümchen"

gaensebluemchenSo heißt ein Buch der Schriftstellerin Andrea Schwarz, aber es trifft auch auf mich zu: Ich mag Gänseblümchen! Sie blühen jetzt wieder zuhauf auf den Wiesen und wenn auch der Rasenmäher darüber geht: irgendwann in den Tagen darauf wachsen und blühen sie wieder, wie wenn nichts gewesen wäre. Gänseblümchen stehen nicht gern im Mittelpunkt und man findet sie in keinem Geschäft oder einem gebundenen Blumenstrauß. Sie blühen einfach - egal ob sie von jemanden bewundert werden oder nicht.
So strahlen Gänseblümchen auf mich eine eigenartige Zufriedenheit, Bescheidenheit und Freude aus - und hin und wieder finde ich vor meiner Zimmertür einen kleinen Strauß Gänseblümchen, den mir eine Mitschwester gepflückt hat. Es hat sich nämlich inzwischen herumgesprochen, dass ich Gänseblümchen mag.

So möchte ich noch eine Geschichte über meine Lieblingsblume erzählen: Der einst prächtige Garten Gottes lag im Sterben. An den Bäumen vertrock- neten mitten im Frühling die Blätter, an den Büschen verwelkten die Blüten noch bevor sie richtig zu blühen begannen und die Blumen ließen ihre Köpfe hängen oder lagen geknickt auf der Erde.

Fassungslos fragte Gott die Eiche, was los sei und die Eiche antwortete ihm, sie stürbe, weil sie keine Trauben tragen könne. Als Gott zum Weinstock ging, schüttelte der traurig seine kahlen Äste und flüsterte, er müsse sterben, weil er nicht so groß wie eine Zypresse werden könne. Und die Zypresse lag in den letzten Zügen, weil sie nicht blühen und duften konnte, wie eine Rose. Die Rose dagegen wollte nicht länger leben, weil die Schönheit ihrer Blüte nur kurze Zeit anhielt.

Schließlich fiel Gottes Blick auf eine kleine Pflanze mitten auf der Wiese, die sich im Wind wiegte und blühte und so frisch wie immer wirkte. "Wie kommt es, dass du als einziges blühst?" fragte Gott das Gänseblümchen.
Das Gänseblümchen antwortete: "Ich denke mir, wenn du eine Rose oder einen Weinstock, eine Eiche oder einen Lotos statt meiner gewollt hättest, dann hättest du sie gepflanzt. Weil ich aber ohnehin nichts anderes sein kann, als das was ich bin, genieße ich es voll und ganz ein Gänseblümchen zu sein."
Liebevoll schaute Gott das Gänseblümchen an und sagte leise: "Du hast den Sinn des Lebens begriffen, denn Du brauchst nur das zu sein und zu leben, was Du zutiefst bist - nicht mehr, aber auch nicht weniger. Vergleiche Dich nicht mit anderen, sondern blühe dort, wo ich Dich hingestellt habe."

Und das Gänseblümchen wurde mit Freude und Dankbarkeit erfüllt, weil Gott es so liebte, wie sie nun einmal war.

Wie entlastend ist es, "nur" das leben zu dürfen, was ich zutiefst bin. Es ist aber auch eine lebenslange Herausforderung genau das zu entdecken, wer ich im Grunde wirklich bin: ein von Gott geliebter Mensch. So wünsche ich Ihnen die Freude und die Dankbarkeit des Gänseblümchens, das den Sinn des Lebens begriffen hat:

  • Gott liebt mich unendlich, einzigartig, unvergleichlich.
  • Ich bin dankbar, so wie Gott mich geschaffen hat und bringe meine Fähigkeiten und Talente ein, die mir geschenkt sind.
  • Wahre Liebe ist ein kostbares und unverdientes Geschenk, das den der es empfängt dankbar und den der es gibt, froh macht.
  • Das Wesentliche im Leben ist unkäuflich und unbezahlbar - wie echte Liebe und Freundschaft ... und wie Gänseblümchen!

 

Schwester Veronika Mätzler, Anna-Schwestern, Franziskanerinnen von Ellwangen